Die Heldenreise

So findest du die perfekte Geschichte auch in deinem Unternehmen

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Portrait von Katharina Wohlfahrt | © punkt & komma
Katharina Wohlfahrt
Content-Redakteurin
Jede Art der Unternehmenskommunikation erzählt eine Geschichte. Das macht Storytelling zum Dauerbrenner im (Online-)Marketing. Lebensweisen, Ziele, Konflikte, Prüfungen, Erfolge und Misserfolge: Eine gute Geschichte enthält all das. Und genau darin liegt die Herausforderung. Es geht darum, die richtigen Reize zu setzen, um die gewünschte Emotion hervorzurufen – und hier kommt die Heldenreise ins Spiel.

Denn: Ohne Held keine Geschichte. Und ohne Heldenreise keine Abenteuer. Dabei reichen meist schon kleine Geschichten rund um die Helden des Alltags, um große Aufmerksamkeit zu erzielen. Wie komme ich nun an die Geschichten meines Unternehmens? Authentizität ist das Zauberwort! Höchste Zeit, der wohl erfolgreichsten Erzählform im ökonomischen Kontext auf den Grund zu gehen … 
 

Vom ersten Auftritt bis zum Happy End

Was Frodo, Harry Potter und Luke Skywalker gemeinsam haben? Sie alle sind zu Beginn ihrer Reise eher unscheinbar und entwickeln sich erst im Laufe der Geschichte zu Helden. Dafür braucht es auch nicht unbedingt übernatürliche Kräfte. Es sind viel mehr ganz besondere Charaktereigenschaften wie Mut oder Loyalität, die einen Helden auszeichnen.

Leicht verständlich und mit einer klaren Struktur hat sich die Heldenreise als Erzählmodell in Blockbustern durchgesetzt. Doch nicht nur im Film, auch in Songtexten, Theaterstücken, literarischen Bestsellern – und in der Unternehmenskommunikation funktioniert dieser Ansatz ganz hervorragend. Schließlich lässt sie sich im Prinzip auf jede Geschichte und verschiedenste Thematiken anwenden.

Doch wo liegt der Ursprung der Heldenreise? Wie ist sie aufgebaut? Und wie kann jeder die Helden seines Unternehmens finden? Die Antworten gibt es jetzt!
 
„The big question is whether you are going to be able to say a hearty yes to your adventure.“
Joseph Campbell

Der Ursprung der Heldenreise

Als Entdecker der Heldenreise, wie wir sie heute kennen, gilt der US-amerikanische Mythenforscher Joseph Campbell. Seinen Untersuchungen zufolge erzählten sich bereits Naturvölker Geschichten, um voneinander lernen. 

Der US-amerikanische Drehbuchautor und Publizist Christopher Vogler erkannte schließlich die Bedeutung dieses Grundmusters für erfolgreiche Unterhaltung. Sein Memo zur „Reise des Helden“ begeisterte Disney und verschaffte ihm ein Engagement als Story Consultant für „König der Löwen“. Der Rest ist, ganz genau: Geschichte! 
 
Eine Mickey Mouse Figur, die auf einem Klavier steht und von einem Licht angestrahlt wird

Die Heldenreise in drei Akten und zwölf Etappen

Die Heldenreise gliedert sich ganz klassisch in zwölf aufeinander aufbauende Etappen:

1. Die gewohnte Welt: Der Held erkennt, dass ihm in seiner vertrauten Umgebung etwas ganz Bestimmtes fehlt, was es für ihn aber geben kann.

Die elf darauffolgenden Etappen in drei Akten werden anhand des aktuellen Bauhaus-Werbespots veranschaulicht.
 

Der Aufbruch

1. Akt
2. Der Ruf zum Abenteuer: Es ist Zeit, aufzubrechen und sich aus der Komfortzone zu begeben. Dabei bekommt der Held einen ersten Blick auf das, was sein könnte. Wer den Ruf zum Abenteuer ignoriert, hört ihn immer wieder.

3. Die Verweigerung des Rufs: Der Held möchte seiner inneren Stimme folgen, die ihm rät, das Fremde zu meiden. Sogenannte „Schwellenhüter“ appellieren an die Ängste, um vom Aufbruch abzuhalten. Doch nur wer geht, kann Träume wahr werden lassen.

4. Begegnung mit dem Mentor: Dem Helden tritt ein Mentor zur Seite, der seine Entwicklung stark beeinflusst. Er sitzt auf seinem Wissensschatz, stellt keine Bedingungen und erwartet nichts. Gleichzeitig kennt er die alte und die neue Welt.

5. Überschreiten der ersten Schwelle: Die meisten Menschen bleiben in der gewohnten Welt. Nicht so der Held, der etwas tut, was sich nicht umkehren lässt. Mit der neuen Welt betritt der das Gegenteil des Gewohnten – der zweite Akt der Reise beginnt.
 
Der Ruf zum Abenteuer
Der Held, von hinten, der auf das Chaos im Garten blickt
Überschreiten der ersten Schwelle
Der Held schaut wenig begeistert und denkt über seine weitere Handlung nach
2. Akt

Im Land der Abenteuer

6. Experimentieren mit der ersten Veränderung: Von nun an teilt sich die Welt in Gut und Böse. Der Held meistert Bewährungsproben. Er besteht Gefahren, besiegt Gegner, findet heraus, wer Freund und Feind ist – er lernt die Regeln der neuen Welt.

7. Vordringen in die tiefste Höhle: Der Held begreift die Situation als Ganzes und steht seinem größten (inneren) Feind gegenüber. Dieser ist genau das Gegenteil aller guten Eigenschaften, Hoffnungen und Träume. Der Showdown steht kurz bevor. 

8. Entscheidungskampf: Der Wendepunkt, die größte Veränderung in der Geschichte findet statt. Es geht um Leben und Tod und nachher ist nichts mehr wie es war. Im Moment größter Angst begegnet der Held einer Reflexion seiner dunklen Seite.

9. Belohnung und Ergreifen des Schwerts: Der Held hat seine Aufgabe erfüllt und wird mit dem „Elixier“ belohnt. Er erkennt, was er künftig tun möchte, fühlt sich lebendig und kraftvoll. Sein Selbstvertrauen ist gewachsen. Zeit, ausgelassen zu feiern.
 
Der Held wird aktiv und trägt beim Sägen Schutzbrille und Handschuhe

Die Rückkehr

3. Akt
10. Rückweg: Mit dem Schatz, neuen Erkenntnissen und neuem Selbstverständnis geht es auf den schwierigen Rückweg in die gewohnte Welt. Entbehrliche Charaktere bleiben zurück. Häufig findet eine Verfolgungsjagd oder ein Wettrennen gegen die Zeit statt.

11. Erneuerung oder Verwandlung: Der Held bringt den Schatz sicher nach Hause und wendet sich endgültig der großen Veränderung zu. Seine besten Eigenschaften treffen auf gelernte Lektionen. Meist siegt das Gute endgültig über das Böse. 

12. Rückkehr mit dem Elixier: Das Elixier hat den Helden und seine Umgebung verändert. Das auf der Reise Gelernte wird in den Alltag integriert. In vielem wird ein neuer Sinn erkennbar. Mit der gelösten Aufgabe schließt sich der Kreis.
Der Rückweg
Die Frau hat ihren Helden gesichtet und freut sich über seine Rückkehr
Rückkehr mit dem Elixier
Der Held und seine Frau fallen sich in die Arme, während man im Hintergrund das fertige Werk betrachten kann

Und im Marketing? Jedes Unternehmen hat seinen Helden!

Wer ist nun also der Held für mein Unternehmen? Gibt es den überhaupt? Ja, den gibt es und du findest ihn in deinen Zielgruppen. Ja, du hast richtig gelesen: Es geht – wie so oft im Marketing – nicht um dich, sondern um deine Kunden, Partner, etc. Unternehmen oder Marken fungieren als besagte Mentoren und stehen dem Helden auf seinem Weg zur Seite.
 
Die Heldenreise ermöglicht es, Werte und Visionen zu vermitteln und schafft dadurch Identifikationsmöglichkeiten. Sie zeigt auf, wie hilfreich und unabdingbar genau deine Produkte oder Dienstleistungen für den Helden sind, um seine Aufgabe zu lösen. Das funktioniert nur, wenn er genau das Lebensgefühl spürt und liebt, das vermittelt werden soll. Ziel ist es demnach, seine Emotionen beim Durchleben der Geschichte heraus zu kitzeln. 

Leichter gesagt als getan? Begeben wir uns gemeinsam auf eine erfolgreiche Heldenreise … 
 
Der Weg vom Unternehmensheld zum erfolgreichen Storytelling

Fragen, die dich der Heldenreise näherbringen

  • Mit welchen Themen, aber vor allem Problemen und Hindernissen werden deine Kunden oder Partner im Alltag konfrontiert? Hab keine Scheu, dich auch einmal den unangenehmen Dingen zu stellen!
  • Welche Wünsche und Träume möchten deine Helden verwirklichen?
  • In welchen Situationen haben Kunden mit deiner Marke (vielleicht auch ganz überraschend) zu tun?
  • Wann und wo haben ihnen konkrete Produkte oder Dienstleistungen weitergeholfen?
  • Stecken in deinen Kundenumfragen vielleicht bereits kleine Abenteuer, die aufgegriffen werden sollten?
  • Über welche positiven Erlebnisse mit dem Unternehmen wird intern gesprochen? Schließlich können auch (potenzielle) Mitarbeiter zu Helden werden … 
  • Lässt sich die Firmengeschichte als spannendes Heldenepos aufbereiten?
Zwei Hände, die eine halb beschriebene Seite aus einer Schreibmaschine ziehen

Weitere Tipps:

  • Kurzhalten, damit die Storys auch bis zum Schluss verfolgt werden. Gerade in Social Media ist Aufmerksamkeit hart umkämpft.
  • Dramaturgie inklusive Spannungsbogen gehört zu jeder guten Geschichte.
  • Ebenso wie ein roter Faden, der durch wiederkehrende Symbole gesponnen wird.
  • Im Idealfall setzt sich der Bezug zur Marke durch die Geschichte unterbewusst fest und nicht durch die offensichtliche Nennung des Unternehmens.


Weitere Beispiele gefällig? Marketing-Kampagnen wie die von Nivea oder Edeka zeigen, wie vielseitig das Geschichtenerzählen in Unternehmen sein kann.

Eine Infografik, die neben den zwölf Phasen der Heldenreise auch den jeweiligen Zeitpunkt und dazugehörigen Spannungsbogen abbildet | © IWW Institut

Ist die Heldenreise zeitgemäß?

Es gibt einige Storyteller und Marketer, die kritisieren, die Heldenreise sei bereits ein alter Hut. Eine Erzählform, die bereits bis aufs Letzte ausgeschlachtet wurde. Als Alternativen werden vermehrt dialogische Jointly Told Tales und Resonanznarrative genannt, zum Beispiel im Blogbeitrag von NARRATA Consult. Fakt ist: Eine gute Story will weitererzählt werden – und Social Media macht die Content-Distribution leichter als je zuvor. Sogar über verschiedene Kanäle hinweg, wie unser Beitrag zu Crossmedia-Marketing zeigt. 

Grund genug, sich auch mit Formen des Storytellings jenseits der Heldenreise auseinanderzusetzen. Aber das ist eine andere Geschichte, die wir im Blogbeitrag Storytelling jenseits der Heldenreise erzählen. Für stets frische Infos zum Thema am besten gleich zum Newsletter anmelden!

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